75 Jahre islamisches Gräberfreld in Hamburg
Am 16. Mai 1941 verstarb in Hamburg der iranische Großhandelskaufmann Abbasali Pyrchad und wurde nach islamischem Ritus auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt. Davon zeugt ein Grabstein. Der bevorstehende Tod gab Anlass zum Erwerb dieses ersten Gräberfeldes durch in Hamburg ansässige Muslime. Mit Vertrag vom 17.12.1941 erwarben sie für die Iranisch-Mohammedanische Gemeinde für 15.300 Reichsmark bei Kapelle II (X-19) 102 Grabstellen für muslimische Bestattungen. Organisation und Finanzierung oblag den Kaufleuten Ahmad Nikravan, Abbasali Pyrchad, Khalil Touba und Hassan Vladi. Als nach Kriegsende 1952 wieder ein iranisches Generalkonsulat in Hamburg eröffnete, wurde diesem die Rechtsausübung übertragen. Im Laufe Jahrzehnte erfolgten weitere Nutzungen bis zur vollständigen Belegung mit ca. 150 Bestattungen. Später entstanden weitere islamische Gräberfelder in Ohlsdorf bei Kapelle 13 und auf anderen Hamburger Friedhöfen.
Der Grabstein des Abbasali Pyrchad dürfte heute das älteste Dokument islamischer Existenz in Hamburg sein. Dieses islamische Gräberfeld ist nach dem „Türkischen Friedhof“ in Berlin-Neukölln das älteste seiner Art in Deutschland. Der 75. Jahrestag war daher eine gute Gelegenheit ins öffentliche Bewusstsein zu rufen, dass die Anfänge muslimischen Lebens in Hamburg schon in die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurück reichen, also der Islam eine viel längere gesellschaftliche Anwesenheit hier aufweist, als gemeinhin angenommen, wie auch die Geburtsdaten auf den Grabsteinen aus der vorletzten Jahrhundertwende belegen; ebenso zeigt sich hieran auf, welche gesellschaftlichen Veränderungen das muslimische Leben im Laufe der Jahrzehnte erfahren hat. Die Gründer dieses ersten Gräberfeldes nebst einigen weiteren Iranern waren es auch, die 1954 den Förderverein zum Bau der Imam-Ali-Moschee ins Leben riefen.
Dieses historische Gräberfeld steht aber auch für die Leistungen der iranischen Kaufmannsgemeinde für das Wirtschaftsleben der Hansestadt und deren Beteiligung am Wiederaufbau Hamburgs nach dem 2. Weltkrieg. In Zeiten der Not haben sie Nahrungsmittel in großem Umfange aus dem Iran importiert und mit dem Export von Industriegütern zum Wirtschaftswachstum beigetragen.
Viele der hier angelegten Gräber haben heute keine Angehörigen mehr und drohten und drohen noch heute zu verwildern. Schon vor wenigen Jahren hatte sich die Friedhofsverwaltung daher an das Iranische Generalkonsulat gewandt und neue Anstrengungen in der Pflege dieses ja auf Friedhofsdauer angelegten Gräberfeldes gemahnt. Es sind daraufhin einige Iranische Kaufleute in diese Bresche gesprungen und haben mit namhaften Spenden für Instandsetzung und Pflege gesorgt. Möge Allah ihre Spenden reichlich segnen!
Damit das Grabfeld X-19 als Ganzes aber auf Dauer erhalten bleiben kann, verpflichteten sich die Nachfahren und Freunde der dort bestatteten iranischen Hamburger durch die unlängst erfolgte Bildung eines Fördervereins, dauerhaft für eine geordnete Pflege und ggf. Neugestaltung zu sorgen. Die Vereinsarbeit ist gut angelaufen, alle Formalien sind erfüllt und für steuerbegünstigte Spenden können Quittungen ausgestellt werden. Wer mag, möge Mitglied werden!
Eine Broschüre mit Informationen zum historischen Hintergrund des Grabfeldes, zu den frühen Iranern im Hamburg des 20. Jahrhunderts, mit einigen ausgewählten Lebensläufen, Informationen zu muslimischen Bestattungsriten und –regeln sowie zu den Anfängen des Islam in Norddeutschland ab dem 17. Jh. ist inzwischen gedruckt und liegt im Friedhofsmuseum aus.