Frühe Iraner in Hamburg
Hamburg ist und war als Hafenstadt stets eine weltoffene Gesellschaft mit einem hohen Anteil von Menschen aus aller Herren Länder. Im Kaiserreich wurde ab etwa 1880 der Handel mit dem Orient und dem Persischen Golf im Besonderen ausgebaut und über 1914 hinaus das freundschaftliche Verhältnis zu den islamischen Ländern engagiert weiterentwickelt: „Hat doch kein Geringerer als unser erhabener Kaiser mit weit vorausschauendem Scharfblick nach dem Besuch von Saladins Grab in Damaskus (1898) das feierliche und schwerwiegende Gelöbnis öffentlich kundgetan, daß dem Sultan und allen in Ehrfurcht zu ihm als ihrem Khalifen emporblickenden Mohammedanern der Deutsche Kaiser zu allen Zeiten ein treuer Freund sein werde.“ (Delitzsch 1915)
Beziehungen zwischen dem Iran und der Hansestadt Hamburg im Speziellen gehen auf den Freundschafts- und Handelsvertrag aus dem Jahre 1857 zurück. Dieser Vertrag ermöglichte es von nun an iranischen Kaufleuten, sich in der Hansestadt zu etablieren.
Sie sind seit mehr als 160 Jahren im Hafen und in der 1880 errichteten Speicherstadt präsent, wo noch heute ihre Lagerräume im Freihafen mit den ersten Adressen einen der weltweit größten Bestände persischer Teppiche beherbergen. Besonders nach etwa 1925 haben sich in zunehmender Zahl iranische, damals noch „persische“ Kaufleute in Hamburg niedergelassen. Sie betrieben überwiegend seehandelsbasierten Im- und Export von Agrargütern, Baumwolle und später auch Teppichen nach Hamburg und von deutschen Industrieprodukten in den Iran. Anfangs gingen noch viele Frachten über Land, erst mit Karawanen und Dampfschiffen über die Türkei, dann durch den Suezkanal, ab etwa 1900 und zwischen den Kriegen vielfach mit der Bahn durch die Sowjetunion. So entstand in Hamburg eine der ältesten und die heute zweitgrößte persische Kolonie in Europa.
Einer der ersten war Abbas Ali Pyrchad, zuvor ein wohlhabender Großhandelskaufmann in Moskau und vor der dortigen politischen Umwälzung über Berlin 1933 nach Hamburg emigriert, wo er mit Khalil Touba in Bürogemeinschaft im Kaufmannshaus in den Gr. Bleichen im Im- und Export wirkte. Sein Tod gab 1941 Anlass zur Schaffung des Grabfeldes.
Bis 1939 bildete sich eine erste nur kleine Kolonie heraus. Doch verließ ein Teil in den Kriegsjahren die Stadt, ein Teil blieb oder verzog sich auf das sicherere dörfliche Umland und ist 1943 den angloamerikanischen Bombenangriffen knapp entkommen.
Nach der Katastrophe des Krieges, als 1945 Trümmer, Not, Armut und Hunger das Bild auch in Hamburg prägten, war es Soraya, die iranische Kaiserin mit auch deutschen Wurzeln, die den Deutschen wieder einen Hauch von Glanz vermitteln konnte. Die Älteren werden sich an den Besuch des Kaiserpaares 1955 in Hamburg erinnern.
In dieser schweren Zeit kamen viele iranische Kaufleute, die vor dem Krieg geflohen waren, zurück in die Stadt und wirkten mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit am Wiederaufbau Hamburgs, insbesondere durch Nahrungsmittelimporte an der Versorgung der Bevölkerung mit. Die Kolonie maß bald über 2000 Menschen, von denen die meisten auf einen gewissen Wohlstand blickten, und es entstand der Bedarf nach einem gemeindlichen und religiösen Mittelpunkt.
Wie im Iran auch waren sie zum ganz überwiegenden Teil schiitische Muslime, aber auch persische Armenier, Bahais, Juden und Zoroastrier gehörten dazu.
So entstand aus der Mitte der Kaufleute zunächst ab 1953 der Förderverein für eine Moschee, ab 1960 erwuchs mit der Grundsteinlegung an der Außenalster türkisfarben die Imam-Ali-Moschee mit ihrer großen Kuppel und den zwei Minaretten zu einem religiösen Zentrum der Muslime in Norddeutschland heran. Sie ist heute die „Blaue Moschee“ als Teil des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) und steht bereits unter Denkmalschutz.
Auch außerhalb des religiösen Lebens wuchs in den 1950ern das Sozialleben der Iraner in Hamburg. In diesen Jahren gab es das erste iranische Restaurant, in der Ferdinandstraße. So entstanden auch Handelsinstitutionen wie die Deutsch-Iranische Handelskammer Hamburg, 1952 gegründet, als deutsches Forum für alle Unternehmen die im Iran-Handel tätig sind oder sich dafür interessieren. Mit der Niederlassung von Filialen iranischer Banken, Speditionsfirmen und einem über viele Jahre einzigen Übersetzerbüro bauten sich weitere Dienstleistungen um den Im- und Export als Kerngeschäft auf.
Noch in den 1950ern bildeten die Iraner eine als Verein eingetragene Unterstützungskasse für hilfsbedürftige Landsleute in Hamburg. Die Verwaltung lag beim Kontor des Kaufmanns Hassan Vladi am Ballindamm und es wurde im Vorstand über die Auszahlung der Fördergelder entschieden.
Die frühen Iraner waren als Kaufleute, soziologisch betrachtet, Menschen aus dem Mittelstand, polyglotte Bildungbürger, die sich schnell und leicht integrierten, Deutsch lernten, einheirateten und ihre Kinder auf die Hamburger Gymnasien schickten. Diese samt Enkel sind heute in der Medizin, Rechtswissenschaft, als Ingenieure oder Architekten, in den Medien, in der Politik oder weiterhin als Kaufleute fest verwurzelte Teile der Hamburger Society
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Sie waren Brücken der Verständigung zwischen Orient und Okzident, zwischen Christen, Juden und Muslimen. Sie waren in ihrer gastgebenden Hamburger Gesellschaft ohne große Vorbehalte aufgenommen und nicht zuletzt dank der wirtschaftlichen Bedeutung des Handels mit Iran für Hamburg als Kaufleute und als Bürger von Anfang an, vor und nach dem Kriege, geachtet. Sie separierten sich nicht von der Gastgesellschaft; es war ja für diese Kaufmannsgesellschaft auch für den ökonomischen Erfolg Voraussetzung, sich gesellschaftlich, sprachlich und rechtlich zu integrieren.
Besonders ab den 1960er Jahren – mit dem wachsenden Wohlstand im Iran – kamen viele junge Iraner zum Studium hierher. In verschiedenen politischen Lagern waren sie ab 1967 Teilhaber der Studentenunruhen mit den Anti-Schah-Demonstrationen.
Mit der islamischen Revolution 1979 wandelte sich religiös und auch soziologisch das Bild der iranischen Community in Hamburg, die heute laut Statistischem Bundesamt mehr als 23.000 Köpfe zählt.
1941 - Das Grabfeld entsteht
Die erste iranisch-islamische Gemeinschaftsanlage wurde am 17. Dezember 1941 von der Iranisch-Mohammedanischen, nunmehr Iranisch-Islamischen Gemeinde für 15.300 Reichsmark bei Kapelle II erworben. Initiatoren waren Abbas Ali Pyrchad, er fühlte altersbedingt das Ende nahen, und von ihm angestoßen die Kaufleute Ahmad Nikrawan, Khalil Touba und Hassan Vladi, der 1969 hier auch beigesetzt wurde.
Anhand der sowohl persischen als auch deutschen Inschriften lässt sich eine Belegung ab 1941, der wohl ältesten islamischen Bestattung in Hamburg auf den zunächst 102 Grabstellen nachweisen. Schon 1941 erfolgten drei Bestattungen auf X-19.
Nach und nach füllten sich die damals auf Friedhofsdauer erworbenen 102 Grabstellen. Allerdings ruhen jetzt nicht nur Hamburger hier, sondern auch Iraner aus anderen deutschen Städten. Es kamen seither weitere 41 Gräber hinzu. In jüngster Zeit erfolgten vereinzelte Wiederbelegungen alter Gräber durch später verstorbene Angehörige, was nach 25 Jahren im Hamburger Friedhofsrecht und nach frühestens 30 Jahren gemäß iranisch-islamischen Regeln möglich ist. Dies soll hier auch weiterhin für Angehörige und Nachfahren möglich sein. Seit 1998 ist eine Beisetzung ohne Sarg im Leinentuch möglich. Bei muslimischen Beisetzungen wird dabei keine Gebühr für die Ausnahme von der Sargpflicht erhoben.
Neue Bestattungen erfolgen seither in Hamburg-Ohlsdorf auf dem muslimischen Grabfeld BN-BO-72 bei Kapelle 13 und auf dem Friedhof Öjendorf. Dort besteht auch die Möglichkeit zur Leichenwaschung.
Leben und Schicksale
einiger hier ruhender Hamburger iranischer Herkunft: